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Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien


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C5 Die Produktion von Klimaflucht als Theoretisierungsanlass

Prof. Dr. Andreas Pott

Andreas Pott, Foto: Simone Reukauf

Geographie
Universität Osnabrück
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Prof. Dr. Thomas Scheffer

Thomas Scheffer, Foto: Simone Reukauf

Soziologie
Goethe-Universität Frankfurt a.M.
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Der beschleunigte Klimawandel setzt Gesellschaften weitreichenden Realitätsprüfungen aus. Insbesondere der vorhersehbare Verlust an menschlichen Nutzungs- und Siedlungsräumen scheint zur Aushandlung aufwendiger Anpassungsstrategien und Aufnahmeprogramme zu drängen. Vor diesem Hintergrund analysiert das Teilprojekt die ›Klimaflucht‹ als jüngst angelaufene Produktion mit offenem Ausgang. Wie, so fragen wir, vollzieht sich in diesem Fall die Produktion von Migration, die von verschiedenen Seiten (Inselstaaten, NGOs, UN-Institutionen, Forschung u.a.) vorangetrieben wird und im Lichte klimawissenschaftlicher Prognosen unabwendbar erscheint? Welche Anstrengungen, Auseinandersetzungen und Zwischenschritte lassen sich im Zuge der Produktion von Klimaflucht beobachten?

Während Bevölkerungen schon »den Boden unter den Füßen verlieren«, so Latour im »Terrestrischen Manifest« (2018), laufen politische, juristische und administrative Aushandlungen erst an und erweisen sich als unentschieden. Angesichts der Drohung einer »Großen Wanderung« (Enzensberger 1992) scheinen die bisher bemühten Produktionsweisen von Migration herausgefordert, gar überfordert: In vielen Regionen der Welt ist Klimaflucht eher Potenzialität denn Realität. Noch ist nicht absehbar, ob es eine anerkannte und durchgesetzte Migrationsform ›Klimaflucht‹ geben wird. In dieser Offenheit ist Klimaflucht für die Beforschung der Produktion von Migration(sformen) und ihrer Medien ein aufschlussreicher Fall. Unter Umständen beobachten wir hier ein Scheitern einer spezifischen Produktion; die Unüberwindlichkeit struktureller Widersprüche oder praktischer Diskrepanzen. Das Ringen um eine ›Vergesellschaftung‹ der Klimaflucht schließt dabei die Migrationsforschung selbst ein.

Methodologisch versteht sich das Teilprojekt als »theoretische Empirie« (Kalthoff et al. 2008). Ausgehend vom Medium des Raums – etwa in Form unbewohnbar werdender Regionen oder von (vorgestellten) Aufnahmeorten – werden die möglichen wie realisierten Verknüpfungen mit den anderen Schlüsselmedien der Migrationsproduktion untersucht: der Figur des ›Klimaflüchtlings‹ wie der Infrastruktur in Form von Rechtsnormen, Hilfsfonds, Aufnahmezentren etc. Empirisch befasst sich das Teilprojekt dazu in Fallstudien mit zentralen Arenen der Aushandlung: den klimatologischen Szenarien von Umsiedlungsbedarfen; der Selbstorganisation von Betroffenen; juristischen Präzedenzfällen zur Klimaflucht; dem Aufbau transnationaler Infrastrukturen der Adaption und Aufnahme. Die kontingente Aushandlung von Klimaflucht wird mit Mitteln der Praxis- und Diskursforschung rekonstruiert.

Ob und in welcher Ausprägung die Klimaflucht Anerkennung findet, wie sie an etablierte Migrationsformen bzw. – in der Theoriesprache des SFB – an etablierte Ausformungen und Kopplungen der Migrationsmedien Raum/Figur/Infrastruktur anknüpft oder diese transformiert, ist nicht abzusehen. Es ist diese liminale Phase der Produktion von ›Klimaflucht‹, die das Projekt dazu prädestiniert, das Zusammenspiel der Medien reflexiv und theoriebildend zu untersuchen. Auf dieser Grundlage entwickelt das Teilprojekt für die zweite und dritte Förderphase des SFB Analytiken zur Erforschung des Zusammenwirkens der Medien der Produktion von Migration.